5G - Der nächste Schritt für industrielle Anwendungen
Produktionsanlagen und Intralogistik müssen in Zukunft flexibler, autonomer und effizienter werden. Die richtige Kommunikationstechnologie ist der Schlüssel dazu. 5G soll Industrie 4.0 auf die nächste Stufe heben und neue Perspektiven für industrielle Anwendungen eröffnen.
Neben den traditionellen industriellen Anwendungen für drahtlose Konnektivität wie mobiles Arbeiten, Fernzugriff und dynamische Sensorik öffnet 5G die Tür zu neuartigen industriellen Anwendungen. „Slicing“ beispielsweise kann in Kombination mit fortschrittlicher Sicherheit mehrere Netzwerkschichten (ERP, MES, DCS) auf demselben physischen Netzwerk hosten. Der massive Anstieg der Bandbreite und der Zahl der angeschlossenen Geräte ermöglicht die Ausweitung des IoT in den Betrieben, aber auch die Verlagerung komplexer Berechnungen von einem zentralen Computer zum verteilten Edge-Computing.
Die 5G-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Derzeit wird Release Rel.17 für uRLLC spezifiziert. Release Rel. 16 kann vor allem mehr Daten übertragen, was es zum Beispiel für Videoübertragungen interessant macht. Die nächste Version ist vor allem im Hinblick auf die Datenübertragung in Echtzeit für industrielle Übertragungen wichtig.
Allerdings können nicht alle denkbaren industriellen Anwendungen damit bedient werden, was bedeutet, dass die Geräteentwicklung ins Stocken geraten ist und 5G-Anwendungen noch mit hohen Kosten verbunden sind. Doch die Industrie handelt schnell - Geräte und Technologien könnten in kürzester Zeit zur Verfügung stehen. PI beschäftigt sich daher bereits mit dem Thema und begleitet erste Pilotanwendungen.
Im Gegensatz zu den bekannten öffentlichen Netzen bieten private 5G-Netze für industrielle Anwendungen einige Vorteile. Private 5G-Netze ermöglichen es Industrieanlagen, ihre eigenen Netze zu kontrollieren und zu verwalten. Sie bieten eine hohe Zuverlässigkeit, geringe Latenzzeiten und vor allem die Möglichkeit, das Netz an sich ändernde Anforderungen anzupassen. Gleichzeitig bleiben die Daten vor Ort, was für zusätzliche Sicherheit sorgt.
Ein weiterer Vorteil ist die gemeinsame Infrastruktur für viele Anwendungen pro Standort. Gleichzeitig ist die Bandbreite hoch, die Installation einfach und die Betriebskosten (OPEX) können ebenfalls gesenkt werden. Die einfache Erweiterbarkeit erhöht die Flexibilität der Unternehmen.
Die Bundesnetzagentur hat bereits insgesamt 100 MHz Bandbreite von 3,7 GHz bis 3,8 GHz für die Nutzung an lokalen Industriestandorten reserviert.
Nutzung von PI-Technologien heute - der einfache Weg zu 5G in der Zukunft
5G hat zweifellos das Potenzial, die drahtlose Kommunikation auf eine neue Ebene zu heben. Ähnlich wie der anhaltende Trend hin zu Time-Sensitive Networking (TSN) für etablierte (drahtgebundene) Industrial-Ethernet-Lösungen wird 5G wahrscheinlich die Standard-Funktechnologie der Wahl werden.
Die Frage ist, wie sich PI-Technologien in dieses Thema einfügen und die Vorteile am besten nutzen können. Parameter wie Reaktionszeit, Verfügbarkeit und funktionale Sicherheit werden derzeit genauer untersucht. Insbesondere letztere gilt als zwingende Voraussetzung für den Einsatz von 5G in der Fertigungsautomatisierung und insbesondere für die Steuerung autonomer Fahrzeuge.
Im Fokus stehen:
- Kommunikation industrieller Protokolle auf Layer 2 (ISO/OSI-Modell).
- Sehr kurze Zykluszeiten und hochgenaue Synchronisation
- Stabilität im Vergleich zu anderen Funkfrequenzen in der unmittelbaren Umgebung
- Transport vieler kleiner Ethernet-Frames
- Übertragung von Sicherheitsprotokollen gemäß IEC 61784-3
- Einhaltung der IEC 61508 als Basisnorm für funktionale Sicherheit
Auch in sicherheitskritischen Anwendungen hat 5G großes Potenzial. Da PROFIsafe das Black-Channel-Prinzip nutzt, ist keine spezielle Konfiguration erforderlich, um eine funktionssichere Kommunikation zwischen PROFIsafe-Geräten und Steuerungen über 5G zu ermöglichen.
Der wichtigste Indikator für die Leistungsfähigkeit des Systems „PROFIsafe/PROFINET over 5G“ ist die Datenaustauschzeit (DX). Zusätzlich ist die Sicherheitsüberwachungszeit (Watchdog-Zeit) von PROFIsafe zu berücksichtigen. Die Data Exchange Time sollte deutlich kleiner sein als die Watchdog Time. Dies ist die Zeit, in der die Applikation in den sicheren Zustand übergeht.
Auch wenn noch nicht alle Geräte und Komponenten für 5G verfügbar sind, lohnt es sich, sich schon jetzt mit dem Thema zu beschäftigen. Wer schon heute auf drahtlose Anwendungen mit PI-Technologien setzt, hat es später leichter, in das Thema 5G einzusteigen. Denn die PROFINET-Anwendung bleibt die gleiche, nur die mobile Verbindung wird schneller und sicherer. Auch die Projektierung von 5G-Netzen ist ähnlich wie bei der TSN-Technologie, so dass hier bereits viel Erfahrung vorhanden ist. Und wie immer wird die PI-Community auch hier praktikable Lösungen aufzeigen, so dass der Einstieg in diese neue Technologie leicht fällt.
Laufende Projekte zu 5G
Audi
Audi beschäftigt sich seit 2015 mit dem Thema 5G. Neben den klassischen industriellen Anwendungen für die drahtlose Konnektivität wie mobiles Arbeiten, Fernassistenz und dynamische Sensorik werden auch neue industrielle Anwendungen erforscht. Zu diesem Zweck hat Audi im Jahr 2020 ein 5G-Netz in seinem Batterietechnikum aufgebaut. Die Ergebnisse dieses Prototyps waren sehr positiv. Nur zwei Aspekte sollten hervorgehoben werden: Wi-Fi hat zum Beispiel ein Problem bei der Herstellung von Zellen aufgrund des Faradayschen Käfigs. Bei 5G bereitete das Metall jedoch keine Schwierigkeiten. Und normalerweise werden während der Produktion bis zu 50 GB Daten pro Fahrzeug in das Auto übertragen. Gerade bei dieser Datenübertragung spart 5G extrem viel Zeit. Anfang 2020 wurden in einer Zusammenarbeit zwischen Audi und Ericsson Zykluszeiten von 3 ms bei einer Latenz von 1 ms erreicht, wenn PROFINET und PROFIsafe über 5G laufen. Solche Zeitskalen sind wichtige Voraussetzungen für die Fabrikautomation und ermöglichen Anwendungen wie Automated Guided Vehicles (AGVs) oder Automated Mobile Robots (AMRs).
Praxistest auf dem Aachener Campus
Der „5G-Industry Campus Europe“ in Aachen ist Europas größtes 5G-Forschungsnetzwerk und erstreckt sich über insgesamt vier Fabrikhallen und einen Quadratkilometer Freifläche. Die Fabrikhallen des Werkzeugmaschinenlabors WZL und des Forschungsinstituts für Rationalisierung FIR der RWTH Aachen sowie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT sind hinsichtlich ihrer maschinellen Ausstattung und Prozesse mit industriellen Produktionsumgebungen vergleichbar. In einem Projekt wurden typische Anwendungsfälle in der Produktion im Hinblick auf die funktionale Sicherheit beim Einsatz von 5G untersucht. Ziel war es zu klären, welche Vorteile 5G für die deutsche Fertigungsindustrie im Vergleich zu bisher eingesetzten Funktechnologien wie WLAN oder Bluetooth bietet.
Das Ergebnis:
5G unterliegt keinen Koexistenzmaßnahmen, wodurch die Latenzzeit vorhersehbar und deterministisch ist. Dies ermöglicht Anwendungen mit sehr kurzen Zykluszeiten und hoher Zuverlässigkeit. PROFIsafe über PROFINET ist die bewährte Kommunikationstechnologie.
Siemens Testzentrum
Qualcomm Technologies, Inc. und Siemens haben im Siemens Automotive Test Center in Nürnberg ein gemeinsames Proof-of-Concept-Projekt gestartet, um das erste private 5G-Standalone-Netzwerk in einer realen Industrieumgebung im 3,7- bis 3,8-GHz-Band zu demonstrieren. Qualcomm Technologies stellt das 5G-Testnetz und die industrielle 5G-Testausrüstung zur Verfügung. Siemens liefert die eigentliche industrielle Ausrüstung, einschließlich Steuerungssystemen und IO-Geräten, sowie industrielle Endgeräte wie fahrerlose Transportsysteme (FTS).
Ziel ist es, 5G-Lösungen in einer realistischen Industrieumgebung zu testen, aber auch zu untersuchen, wie die Migration von bestehenden IWLANs gelingt oder wie ein Mischbetrieb aussehen könnte. Dabei werden aktuell verfügbare Industrieprotokolle wie PROFINET und OPC UA zusammen mit der drahtlosen Kommunikation über 5G evaluiert. Das Netzwerk nutzt sowohl das PROFINET- als auch das OPC UA-Protokoll; im ersten Fall für die Kommunikation von Steuerung zu Steuerung, im zweiten Fall für die Kommunikation von Steuerung zu Steuerung. Die ersten Testergebnisse von Industrial 5G in industriellen Anwendungen sind sehr vielversprechend.
Projekt 5GANG
Ziel des Projektes 5GANG „5G applied in industry“ ist die Erforschung und Entwicklung eines industriellen Kommunikationskonzeptes auf Basis von Mobilfunknetzen der fünften Generation. Im Rahmen des Projekts werden unter anderem verschiedene Funktechnologien (WLAN, Bluetooth, 5G) für das uRLLC-Band hinsichtlich Jitter, Latenz und Störanfälligkeit verglichen. In den lizenzfreien WLAN-Bändern ist die Anwendung von Koexistenzmaßnahmen obligatorisch, was jedoch zu einem hohen Jitter und einer PROFINET-Aktualisierungszeit von bis zu 1 Sekunde führt. Im Gegensatz dazu hat 5G in den lizenzierten Bändern einen sehr geringen Jitter und damit Vorteile gegenüber WLAN. So sind mit 5G im eMBB-Band PROFINET-Updatezeiten von ca. 20 ms Millisekunden und ein geringer Jitter von 10 ms möglich.
Ausblick
Dies sind nur einige Beispiele. Viele neue Testfelder entstehen derzeit, z.B. auf der Hannover Messe, aber auch in Unternehmen, z.B. bei Siemens-Amberg, BASF in Ludwigshafen und Covestro in Antwerpen.
Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen:
eMMB - Verbessertes Mobiles Breitband - Release 15
Für Anwendungen mit hohem Datenbedarf eignet sich 5G eMMB. Es bietet extrem hohe Datenraten (bis zu mehreren Gb/s) und eine verbesserte Abdeckung, die weit über die von 4G hinausgeht. Dazu gehören Anwendungen, die sehr hohe Bandbreiten und Datenraten erfordern. Beispiele sind hochauflösendes Video-Streaming oder Augmented Reality.
URLLC - Ultra zuverlässige Kommunikation mit niedriger Latenz - Version 16/17
URLLC ermöglicht hochkritische Anwendungen mit sehr hohen Anforderungen an End-to-End-Latenz (bis in den Millisekundenbereich), Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Dies ist interessant für Anwendungen, die einen hohen Determinismus erfordern, wie z.B. industrielle Automatisierung, Robotik, autonomes Fahren, Medizin, etc. Dies wird vor allem in Campus-Netzen ein Thema sein, wo 5G auf industrielle Netzwerke wie PROFINET angewendet wird.
mMTC - Massive Mobile Machine Type Communications - Release 17/18
mMTC wurde entwickelt, um eine flächendeckende Versorgung und eine tiefe Durchdringung in Gebäuden für Hunderttausende von IoT-Geräten pro Quadratkilometer zu ermöglichen. Darüber hinaus soll mMTC eine allgegenwärtige Konnektivität mit geringen Software- und Hardwareanforderungen für die Geräte bieten und einen energiesparenden Batteriebetrieb unterstützen. Dies schließt Anwendungsfälle ein, die eine große Anzahl von Geräten erfordern, die sich in der Regel in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Beispiele für solche Anwendungen sind das Internet der Dinge (IoT) oder intelligente Städte.
Dieses Konzept wurde eingeführt, um den gleichzeitigen, aber isolierten Betrieb verschiedener Dienste über dieselbe Netzinfrastruktur zu ermöglichen.
Für die Konfiguration und das Management von 5G-Basisstationen für eigene Campusnetze werden Spezialisten benötigt. Zudem ist die Entwicklung derzeit noch etwas gebremst, da wichtige Releases (Rel.17 uRLLC) dafür noch nicht fertiggestellt sind. Natürlich sind die industriellen Endgeräte auch noch teuer. Daher sind die Investitions- und Betriebskosten derzeit noch relativ hoch.
Nein, da noch nicht alle Versionen freigegeben sind, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu beschäftigen und ein gutes 5G-Konzept zu entwickeln, das erfolgreich und zukunftssicher ist. Im Gegensatz zu WLAN ist 5G serviceorientiert, d.h. Lasttests mit Netzwerk-Slicing mit vielen FTS (uRLLC), AI-Anwendungen (eMBB) und Sensornetzwerken (mMTC) sollten jetzt beginnen, um mögliche Worst-Case-Latenzen zu definieren.